Gewaltfreie Kommunikation im therapeutischen Kontext

 

Wenn ich die GFK psychotherapeutisch einsetze, geschieht dies auf zwei Ebenen:

  1. Ich erfrage Bedürfnisse, von denen ich vermute, dass sie schon lange nicht mehr erfüllt wurden, z.B. Kreativität, Ruhe und Erholung, und erforsche gemeinsam mit der/demjenigen, wie das in der nächsten Zeit im Alltag erfüllbar ist.
  2. Ich begegne dem Menschen vor mir mit Einfühlung, das heißt ich nehme sie / ihn so wahr, wie sie / er vor mir sitzt, ohne Beurteilung / Verurteilung und gebe den benötigten Raum.
  3. Wir erforschen gemeinsam die jetzt vorhandenen Gefühle und welche (un)erfüllten Bedürfnisse diese Gefühle auslösen. Im nächsten Schritt schauen wir, wie diese Bedürfnisse und mit wem sie erfüllt werden können. Hier ist dann Raum für den bisher ungelebten Schmerz, der uns in der Regel als Leid in der Form von „Jammern, Klagen, Meckern, Nörgeln“ entgegentritt. Meistens sind die Bedürfnisse nach Anerkennungen – gesehen und akzeptiert werden wie dieser Mensch ist – und Wertschätzung – für das, was dieser Mensch tut - nicht erfüllt. Hauptproblem dabei ist oft, dass der / die Betreffende sich selbst diese Bedürfnisse nicht erfüllen kann, sich selbst klein macht. In diesem Fall kann sie / er es gar nicht wahr nehmen, wenn andere ihr / ihm die Anerkennung und Wertschätzung zukommen lassen, die so heftig begehrt wird. Wer kennt nicht die Köchin, die auf die Wertschätzung: „Dein Essen schmeckt mir gut, da hast Du Dir viel Arbeit gemacht“ mit „ Naja, es ist zu viel Salz dran“ oder „es ist schon etwas zerkocht“ reagiert.

Leid und Schmerz

Ich sehe einen großen Unterschied zwischen Leid und Schmerz. Leid bedeutet für mich, dass es keine Entwicklung gibt, das erfahren wir bei Menschen, von denen wir sagen, sie jammern. Das tun sie oft seit Jahren oder Jahrzehnten, ohne dass sich etwas ändert. Die Menschen in ihrer Umgebung können es nicht mehr hören. Je mehr sie „jammern“, desto weniger werden sie gehört, ein Teufelskreis......

Hinter jedem Leid steckt für mich ein Schmerz, der nicht angenommen wurde, weil er so schlimm war oder ist. Der Schmerz ist häufig aus einem Verlust entstanden, da wäre Trauer angesagt gewesen, oder aus einer Enttäuschung oder Verletzung, da wäre Einfühlung notwendig gewesen. Das kann jetzt nachgeholt werden, dazu braucht es die Bereitschaft, sich diesem Schmerz nochmals auszusetzen, damit er dann heilen kann. Dabei ist wichtig zu wissen, dass dieser Schmerz kein neuer ist, sondern schon die ganze Zeit über da war.

Schmerz und Leid verhalten sich aus meiner Sicht zueinander wie Wasser und Eis. Eis ist starr, kalt, nicht lebendig, Wasser ist beweglich, lebendig, fließt, nährt. In der obigen Terminologie würde ich sagen, Leiden entspricht dem Eis und ist dem Leben entfremdet , Schmerz entspricht dem Wasser und ist dem Leben dienlich.

So wie sich Eis in Wasser verwandeln kann, wenn die Sonne scheint, kann sich Leid in Schmerz verwandeln, wenn ein Mensch Einfühlung erfährt, seine Verletzung, seine Enttäuschung, seine Trauer sein dürfen. Dann kann der Schmerz auch langsam abklingen und der Mensch inneren Frieden finden. Meine Lehrerin Christa Morf sagte einmal, es sei wichtig den Schmerz auf den Arm zu nehmen, ihn zu schätzen dafür, dass er uns an etwas erinnert, aber ihn nicht zu nähren. Für mich geht es darum, unterstützend zu wirken und zu begleiten bei der Transformation von Leid in Schmerz, vorausgesetzt der betreffende Mensch ist bereit dazu